| Wenn ich, wie jetzt wieder in der Winterzeit, in alten Brieftaubenbüchern und Zeitschriften lese oder mir hier und da ein Video ansehe, dann denke ich oft darüber nach was eigentlich aus all den überragenden Tauben geworden ist, die seinerzeit so flogen oder züchteten. Es werden in vielen Berichten ganz ausgezeichnete Tauben vorgestellt. Super Vererber, super Reisetauben, Tauben, die sowohl hervorragend geflogen, als auch hervorragend vererbt haben. Aber wo sind all diese Tiere geblieben? Gibt es von ihnen noch Nachzucht in irgendeiner Form, die herausragende Leistungen in Zucht oder Reise zeigt? Es scheint mir, dass das doch alles sehr wenig ist. Ich denke dann darüber es eigentlich kommt, dass von solch hervorragenden Tieren kaum noch etwas übrig ist.
Denkt man beispielsweise an die Stammkoppel von Karel Meulemans und ihre herausragende Nachzucht seinerzeit. Hier in Deutschland war besonders der "Piet" von Raimund Hermes bekannt. Es ist praktisch nichts mehr davon vorhanden selbst wenn man bei den Tauben Generationen zurückgeht. Hier in unserem Kreisverband reiste über Jahrzehnte ganz hervorragend die Schlaggemeinschaft Fulgoni mit ihrer "Musketier-Rasse". Ist davon noch irgendwo etwas vorhanden. Vielleicht hier und da....aber nichts was heute noch wesentlich eine Rolle spielen würde. Praktisch jeder Brieftaubenzüchter kennt Harry Tamsen. Er flog über viele viele Jahre mit einem sehr kleinen Bestand teilweise sensationell. Ist von seinen Tauben noch etwas übrig? Ich denke so gut wie nichts. Gabi Vandenabeele hatte mit seinem "Kleinen". dem Wittenbuik", dem "Bliksem" und auch vielen ihrer Nachkommen eine ganz herausragende Linie, die sich aber inzwischen doch ein wenig verliert, selbst wenn es mit dem "Rudy", dem "Super Romeo" und anderen hervorragende Nachkommen gab und noch gibt.
Auch um den "Ringlosen" von Günter Prange, von dem es sicherlich noch einige erfolgreiche Nachzucht in Deutschland gibt, wird es langsam dünner und die Zahl seiner herausragenden Nachkommen sinkt.
Ist das einfach der Lauf der Zeit? Sind die heutigen Tauben besser? Und woher kommen dann die heute guten Tauben? Das sind Fragen mit denen ich mich gerne befasse.
Ich habe vor einigen Jahren mal aus Freude an der Sache für unseren Freund Dirk de Beer lange Stammbäume seiner Stammtauben geschrieben. Die Vorfahren seiner sehr guten Vererber habe ich aufgeschrieben bis in die 1950er oder 1960er Jahre soweit es nachvollziehbar war. Das war insbesondere bei den Janssen-Tauben der Fall und man konnte z.b. feststellen, dass seine Stammtauben 346 und die NL-105 irgendwann praktisch gleiche Vorfahren hatten. Beim GuS, den Dirk ja von Leo Heremans gekauft hatte, ließ sich der Stammbaum leider nicht so weit nachvollziehen.
Was mich aber im Pedigree des Gus und seines Bruders "Olympiade 003" wiederum beeindruckte war, dass drei seiner vier Großeltern sehr eng miteinander verwandt waren.
Es gibt Tauben, die sich bis heute in vielen Stammbäumen halten und dort weiter entfernt vorhanden sind. So war beispielsweise der Kannibaal von Dirk van Dyck die vielleicht beste Zuchttaube der letzten 50 Jahre. Immer wieder findet man auch heute noch Tauben, die sehr leistungsfähig sind und die auf diese hervorragende Reise- und Zuchttaube zurück gehen.
Würden wir Brieftaubenzüchter uns mehr mit "Ahnenforschung" bei unseren Tauben befassen, dann würden wir alle sicherlich noch viel mehr auf einzelne bekannte und berühmte Tauben in den Stammbäumen unserer besten Tauben stoßen.
Was aber doch auffällt ist, dass wir fast alle unsere Tauben im Kern relativ planlos verpaaren. "Gut mal Gut" heißt das Motto und natürlich ist zuvorderst das Ziel erst einmal gute Reisetauben zu züchten. Aber grundsätzlich kreuzen wir doch fast alle irgendwie etwas zusammen und hoffen, dass gute Reise- und Zuchttauben heraus kommen.
Wir betreiben praktisch alle keine gezielte Leistungszucht so wie man das eigentlich tun sollte. Ich bin überzeugt, dass wir vieles an unseren Tauben hinsichtlich der Gesundheit, der Orientierungsfähigkeit, hinsichtlich "Härte und Ausdauer" usw. verbessern könnten, wenn wir viel gezielter züchten und uns viel mehr mit Zucht und Auslese befassen würden.
Schaut man sich die aktuell hoch gehandelten Leideman-Tauben an, dann sieht man, dass es in erster Linie Kreuzungen verschiedener Linien sind. Unabhängig von der Qualität dieser Tauben bin ich schon jetzt davon überzeugt, dass von diesen Tauben in zehn Jahren kaum noch jemand sprechen wird....es ist dann alles heraus gezüchtet, so wie es bei vielen anderen "Rassen" der Fall war und es verliert sich dann alles was diese Tauben einmal ausgemacht hat. Den gleichen Prozess erlebt man nun bei den noch vor Kurzem so hoch gehandelten "Van den Bulck-Tauben", welche teilweise allerdings auch wieder "Heremans-Tauben" waren. Es wurde alles zu Geld gemacht was ging, dann wurde gekreuzt und alles durcheinander gepaart und nun wird schon bald die Zeit kommen, wo fast nichts mehr von diesen Tauben vorhanden ist.
Ich finde es insgesamt ein wenig schade, dass unsere ganze Brieftaubenzucht sehr planlos erscheint und wir damit das, was unsere Tauben wirklich ausmacht, das Heimfindevermögen, die Ausdauer, auch die "Härte" usw. über die Jahre doch ein Stück weit herauszüchten und wir damit gleichzeitig die Tauben irgendwie "verweichlichen". Das hat selbstverständlich alles auch mit den Ansprüchen zu tun, die wir auf der Reise an die Tiere stellen. Ich fürchte, dass wir uns da auf einem sehr falschen Weg befinden. Allerdings habe ich auch wenige Ideen wie man dieses ändern könnte....
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