| | Gestern habe ich mal wieder in dem Buch "Außergewöhnlich" des Sportfreundes Gert-Jan Beute aus den Niederlanden gelesen. Grund dafür war ein Gespräch mit einem befreundeten Züchter, der sich seine Tauben im letzten Jahr durch einen anderen Klassifizierer hatte bewerten lassen. Schon einige Tage zuvor hatte mir ein Sportfreund gemailt, dass er einige Tauben bekommen hatte und diese von zwei Klassifizierern etwas unterschiedlich bewertet worden seien und nun fragte der Züchter, wie er damit umgehen solle. Ich bin da kein Fachmann, aber am Ende war die Bewertung gar nicht so unterschiedlich, wie der Sportfeund annahm.
Denn letztlich ist es so, dass alle Taubenklassifizierer den gleichen Taubentyp besser bewerten und auch gleiche Taubentypen eher verwerfen. Alle weisen aber darauf hin, dass sie nur die körperlichen Eigenschaften einer Taube bewerten können. Ob die Taube es am Ende "im Kopf hat", das kann niemand sagen. Die Klassifizierer geben dann nur aus ihrer Erfahrung Tipps wie man beispielsweise Tauben verpaaren soll oder welche Taube aus ihrer Sicht aufgrund diverser körperlicher Mängel gar nicht für die Zucht geeignet ist etc. Wenn ein Sportfreund einem solchen Klassifizierer vertraut, dann kann das durchaus eine große Hilfe sein.
Wenn ich während der Reisezeit Einsatzdienst mache und Tauben in die Hand bekomme von Sportfreunden, dann denke ich hin und wieder bei mir: "Wie kann man so eine Taube züchten? Wieviele Mängel müssen die Eltern haben, dass am Ende körperlich so ein Geschöpf dabei heraus kommt?!" Ich kann der Taube dann auch nicht in den Kopf sehen, aber wenn eine Reisetaube nun einmal wirklich schlecht in der Handbeurteilung ist, dann wird sie viel mehr Probleme haben ein Reisejahr über 13 teils sehr fordernde Flüge zu überstehen als ein Tier, dass diese Mängel nicht hat.
Das Alles bedeutet nicht, dass man nicht auch Tiere mit deutlichen körperlichen Schwächen mal in die Zucht setzen darf, weil es gute Vorfahren hat oder gut gereist hat. Auch Tiere mit Schwächen können gute Reisetauben sein (und vielleich sind die ganz Erfolgreichen sogar die stärksten Reisetauben, weil sie ihre Erfolge trotz ihrer Schwächen errungen haben), aber dann muss man versuchen dieses züchterisch körperlich auszugleichen. Dazu raten einem in der Regel auch die Klassifizierer.
Insgesamt ist es aber aus meiner Sicht so, dass es ohnehin nur sehr sehr wenige wirklich gute und dominante Zuchttauben gibt. In dem Buch von Sportfreund Beute kann man lesen nach welchen Kriterien er die Tauben ausliest, was er für wichtig befindet usw. Er hat sich Notizen gemacht zu vielen Assen, die er in der Hand halten durfte. Diese Asse sind dort mit Foto und Augenfoto angelichtet und die Notizen zu den körperlichen Eigenschaften sind angefügt. Das finde ich immer wieder hochinteressant anzusehen und zu lesen. Da das Buch schon etwa 15 Jahre alt ist sind aber die Tiere, die dort abgebildet sind, schon alle nicht mehr auf dieser Welt. Sie stammten alle aus den Jahrgängen 1993 bis 2005. Tolle Reise- und Zuchttauben, die teilweise herausragend geflogen hatten und auch super Nachzucht gaben.
Schaut man aber heute mal in all die vielen Abstammungen, die es zu lesen gibt im Internet, dann findet man von all diesen Assen kaum noch Nachzucht. Einige wenige sind darunter, wie der "Kleine Dirk" von Koopman und seine Mutter "Golden Lady" von Dirk van Dyck oder der "Ringlose" von Günter Prange, die über Generationen durch vererbt haben. Aber viele andere der abgebildeten Tauben haben kaum oder gar keine Spuren über Generationen hinterlassen. Obwohl sie teils super Reisetiere waren und auch in der ersten und vielleicht auch noch in der zweiten Generation sehr gute Nachzucht brachten. Aber irgendwann war es dann vorbei.
In der heutigen Zeit werden aus kommerziellen Gründen aus bestimmten Tauben die Tiere rasend schnell und in großer Zahl vermehrt. Sollte es den Brieftaubensport noch geben, dann werden vielleicht in 15 oder 20 Jahren noch einzelne Tauben auf diese heutigen Tiere zurückführen in ihrer Ahnengalerie. Trotzdem werden auch die meisten der heute hoch gehandelten Tauben vergessen sein. Trotz bester Flug- und Zuchteigenschaften.
Die Zucht von erfolgreichen Brieftauben ist immernoch ein großes Rätsel. Man versucht sich inzwischen auch mit Gentests der Sache zu nähern. Versucht genetische Faktoren zu finden, die für eine gute Zucht- oder Reisetauben wichtig sind und diese Faktoren zu benennen. Ob es funktioniert? Ich weiß es nicht. Für einen Züchter mit einem relativ kleinen Zuchtbestand und begrenzten Schlagkapazitäten bleibt aktuell und bis auf Weiteres immernoch nur die harte Selektion und der Versuch nur aus wirklichen Toppern oder vielleicht deren Kindern oder aus ihren Geschwistern zu züchten. Das scheint mir der einzig gangbare Weg zu sein. | | | |
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