| Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir Deutschen ein Volk von chronisch unzufriedenen Menschen sind. Wir sind unzufrieden mit unseren Regierungen, mit unserem Sozialsystem, mit den Zuständen auf unserer Arbeit, mit unserem Lohn oder unserer Rente.
Wir äußern uns unzufrieden mit unserem Fernsehprogramm, den Ergebnissen unserer Fußball-Naionalelf, mit dem Wetter, den Zuständen unserer Straßen, mit der Pünktlichkeit der deutschen Bahn, mit unseren Nachbarn und dem Vorstand des örtlichen Schützenvereins. Wenn wir Deutschen eines gut können (und da schließe ich mich selbst explizit mit ein), dann ist es ständig an allem und jedem herum zu meckern ohne selbst viel zu einem positiven Miteinander beizutragen.
So scheint es mir auch in unserem Hobby Brieftaubensport zu sein. Eine Mehrheit der Züchter scheint unzufrieden mit der Arbeit unseres Verbandspräsidiums, mit der Arbeit der Regionalverbandsvorstände, mit dem Mitgliederschwund und steigenden Kosten, mit den Entscheidungen der Flugleiter, mit dem Reiseplan, den Auflassorten, dem Wind, der Lage, den Meisterschaftsbedingungen usw. Stets gibt es irgendetwas worüber wir uns gerne und ausgiebig beschweren.
Dass unser Verbandspräsidium trotz (oder gerade wegen) dieser chronischen Unzufriedenheit vieler Sportfreunde hingeht und ein Innovationsteam zusammenstellt, das zu mehr Züchterzufriedenheit sorgen soll und dieses Innovationsteam dann auch binnen relativ kurzer Zeit ein Konzept mit diversen Veränderungsvorschlägen vorlegt, ist grundsätzlich sehr mutig und einfach nur zu loben.
Trotzdem gab es - und wie nicht anders zu erwarten - sehr schnell auch wieder Kritik an diesem Innovationsteam. Bei allem Respekt für das Engagement der Züchter dort hörte man sehr schnell von verschiedenen Stellen (und auch da schließe ich mich selbst nicht aus), dass dieses neue Innovationsteam personell falsch aufgestellt sei. In diesem neuen Gremium seien zu viele Sportfreunde, die dem Brieftaubensport in irgendeiner Form aus sehr kommerzieller Sicht verbunden sind. Sei es durch ihre Arbeit in einer Firma, die eng mit dem Brieftaubensport verknüpft ist, sei es durch sehr regelmäßige Taubenverkäufe in großer Zahl, sei es durch die Arbeit als Taubenversteigerer oder als Tierarzt.
Prozentual finden sich in diesem Innovationsteam deutlich mehr Sportfreunde, die auch mit unserem Hobby Brieftaubensport Geld verdienen, als in der gesamten Züchterschaft. Ob dieses letztlich auf die Arbeit und die daraus folgenden Reform-Vorschläge des Gremiums gewisse Auswirkungen hat(te), möchte ich noch nicht abschließend beurteilen.
Aber persönlich möchte ich festhalten, dass die Mehrheit der Sportfreunde, die in ihren RVen und Regionalverbänden einfach ohne zumeist größere Erfolge aus reiner Freude an unserem Hobby den Brieftaubensport nicht kommerziell ausübt, in diesem Innovationsteam, wenn man es einmal von Seite dieser Brieftaubenzüchter betrachtet, deutlich unterrepräsentiert ist. Zumindest sollte man dieses bei der Beurteilung der Reformvorschläge und der möglichen Auswirkungen auf die Zukunft unseres Hobbys und dem Ziel der größeren Züchterzufriedenheit nicht völlig außer Acht lassen.
Desweiteren scheint mir zu beachten zu sein, dass ein Innovationsteam neben dem Ziel einer größeren Züchterzufriedenheit auch immer die Zukunft unseres Hobbys im Blick haben sollte. Egal welche Reformvorschläge unterbreitet werden: diese sollten neben einer möglicherweise nur recht punktuellen und zeitlich vielleicht beschränkten Erhöhung der Züchterzufriedenheit auch immer darauf abzielen, dass sie auch in fünf oder zehn Jahren für unser Hobby noch tauglich und zielführend sind. Daher ist auch die Frage zu stellen ob die angedachten Veränderungen bereits binnen sehr kurzer Zeit, zumindest in einigen Regionen, eher kontraproduktiv wirken könnten.
Es sollte also auch erörtert werden, ob der Anspruch, den das Innovationsteam an sich selbst gestellt hat, "ein Konzept zu schaffen, das Lösungen für das ganze Verbandsgebiet anbietet", überhaupt noch zielführend sein kann oder ob es nicht von vorneherein besser gewesen wäre, je nach Züchterdichte, Taubenzahl und Struktur deutlich mehr auf regionale Lösungen zu setzen, die in einzelnen Gebieten unseres deutschen Brieftaubenverbandes völlig unterschiedlich gestaltet sein können.
An dieser Stelle möchte ich dann auch gleich einmal, ohne nun schon auf einzelne Punkte des Konzeptes einzugehen, anmerken, dass man bei den Reformvorschlägen auch wieder sehr stark auf das Steuerelement "Meisterschaften" und "Meisterschaftsbedingungen" gesetzt hat. Ohne die einzelnen Vorschläge heute hier im Einzelnen zu diskutieren, bin ich der Meinung, dass wir schon sehr kurzfristig nicht umhin kommen werden den Brieftaubensport viel mehr regional zu gestalten.
Dabei könnten uns beispielsweise die deutschen Meisterschaften bezogen auf eine Teilnahme aller reisenden Schläge in Deutschland zu den gleichen Bedingungen deutlich im Weg stehen. Es muss also die Frage erlaubt sein: wirken die deutschen Meisterschaften - egal wie sie ausgeflogen werden - einer Steigerung der Züchterzufriedenheit aktuell und perspektivisch deutlich entgegen und benötigen wir sie wirklich? Aktuell sind sie für einzelne Schläge sicherlich ein sehr schöner Erfolg, der nicht selten auch kommerziell ausgeschlachtet wird, aber möglicherweise führen sie in ihrer Gesamtheit betrachtet bei der Mehrheit der reisenden Schläge eher zu Frust. Denn die Erstellung der Reisepläne und das Durchdrücken der selbigen aufgrund der Meisterschaftsbedingungen, scheinen mir einer der hauptsächlichen Unruhe- und Unzufriedenheitsfaktoren im deutschen Brieftaubensport überhaupt zu sein. Aber auch dazu werde ich in der nächsten Zeit noch einiges an dieser Stelle schreiben.
Für heute möchte ich zusammenfassend sagen, dass es gut und richtig ist, dass sich auf Initiative des Verbandspräsidiums Sportfreunde zusammengefunden haben, welche den Brieftaubensport reformieren und die Zukunft unseres Hobbys aktiv und zeitnah gestalten wollen. Inwieweit die nun unterbreiteten Vorschläge aus meiner Sicht zielführend sind, möchte ich dann, so wie es die Zeit zulässt, in den nächsten Tagen hier an dieser Stelle aus meiner persönlichen Sicht diskutieren. | | |
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