| | Gestern vormittag war ich zu Besuch bei einem Sportfreund und dieser hat mir all seine Tauben gezeigt. Der Bestand ist nicht so groß und er will hier und da noch ein wenig reduzieren und da er auch einen größeren Anteil direkte Tauben von uns bzw. Nachzucht unserer Tiere hat, hat er mich bei einigen Tauben gefragt ob ich sie behalten würde. Es ging also nur darum wie ich die Tiere körperlich beurteile.
Das Problem ist aber, dass man in Tauben nicht hineinsehen kann. Selbstverständlich kann man sehen und fühlen wie die körperlichen Anlagen der Taube sind. Aber ob eine Taube Charakter hat, ob sie Willen hat, wie ihr Orientierungsvermögen ist usw. - das kann ich letztlich nur durch viel Beobachtung im Schlag und die Teilnahme an Preisflügen feststellen.
Der Sportfreund gab mir auch Tauben in die Hand, die er von anderen Züchtern bekommen hatte. Es waren aus meiner Sicht einige körperlich ausgezeichnete Tauben dabei. Spannend war für mich wieder einmal zu sehen wie unterschiedlich Tauben vom Typ her teilweise sind.
Es waren van den Bulck-Tauben dabei. Diese Tauben erkennt man mit verbundenen Augen an ihrem Typ. Sehr breit vorne, mit teilweise gewaltiger Muskulatur und insgesamt etwas kürzer. Es waren Tauben der Linie des 802 und 520 von Günter Prange dabei. Auch wenn ich persönlich fahle Tauben nicht mag, so sind das doch vom Typ her wunderbare Tauben, Etwas länger gezogen mit einer anderen Muskulatur als die reinen Kurzstreckentiere und mit einem tollen Gleichgewicht. Sehr gut gefielen mir auch Tiere in denen das Blut der Tauben von Albert Derwa floss. Das Gefieder dieser Tauben war sehr weich und geschmeidig. Die ein oder andere dieser Tauben hätte ich selbst auch durchaus in der Zucht mal gerne getestet.
Aber letztlich weiß man trotzdem nicht ob die Taube am Ende das mitbringt, was wir eigentlich suchen: das Spitzefliegen, das Durchsetzungsvermögen und den Willen sich aus dem Schwarm zu lösen und alleine zu fliegen. Obendrein weiß man bei Zuchttieren nicht inwieweit sie bestimmte Charaktereigenschaften, die sie vielleicht besitzen, auch dominant vererben.
Wenn dann die Tauben nicht auch noch direkt aus Leistungstauben kommen, sondern erst Enkel- oder gar Urenkelgeneration von herausragenden Tieren sind, dann weiß man letztlich gar nichts mehr. So schön die Tauben auch aussehen und so gut ihre körperlichen Anlagen auch sein mögen (soweit man das beurteilen kann) - man weiß einfach gar nichts. Wir alle tappen als Züchter bei jeder einzelnen Taube was ihre Zuchtqualität betrifft weitgehend im Dunkeln. Wir können immer nur mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten und da zeigt die Erfahrung, dass die besten Vereber entweder die Leistungstiere selbst oder aber Kinder oder Geschwister dieser Leistungstiere sind. Es gibt selbstverständlich auch viele Ausnahmen, aber wir suchen in unseren züchterischen Bemühungen ja eher die Regel. Wenn es denn Regeln überhaupt gibt.
Schaue ich dann einmal auf unseren eigenen Bestand und unsere besten Reisetauben in den letzten zwanzig Jahren, dann kann folgendes feststellen: all unsere besten Reisetauben waren aus Elterntieren bei denen zumindest ein Elternteil körperlich eine (nach unseren Vorstellungen) annähernd "vollkommene" Taube ohne sichtbare "körperliche Schwächen" war. Wir züchten fast nur aus Tauben, die selbst gut geflogen haben oder die Kinder oder Geschwister von sehr guten Reisetieren sind. Hin und wieder haben wir mal Tiere der Enkelgeneration, die dann in der Regel sehr eng in Linie gezogen sind. Diese müssen dann aber wirklich körperlich herausragend sein.
Wenn jedoch eines von all den Zuchtbemühungen bleibt, die man Jahr für Jahr anstrengt und bei denen man doch allzu viele weitgehend unbrauchbare Tauben für unser Hobby züchtet, dann ist es die Beobachtung, dass die besten Tauben immer aus mindestens einem Tier kamen, dass körperlich sehr, sehr gute Anlagen hatte. Und so denke ich, dass es einfach wichtig ist neben der Genetik (also der Abstammung der Taube aus Leistungstauben) immer auch zu schauen wie sich ein Tier in der Handbeurteilung präsentiert.
| | | |
|