| Vor vielen Jahren habe ich mir mal einen Ordner angelegt, in dem ich Berichte aus Fachzeitschriften sammle, bei denen ich denke, dass sie so lesenswert sind, dass es lohnt, sie zu behalten. Wenn ich abends manchmal Zeit und Lust habe, dann blättere ich in dem Ordner und lese was mir auffällt.
Beim Lesen gestern abend fiel mir ein Artikel aus der "Brieftaube" von Werner Grundel aus dem Jahr 1996 auf, in dem er sich Gedanken zur Zucht macht. Ich möchte einmal aus diesem Artikel ein wenig zitieren. Denn gerade jetzt im Winter, aber auch während der Reisezeit, geht ja immer wieder die Diskussion wegen des Windes, wegen der Lage und der Konkurrenz los...Züchter wissen ganz genau wo die Tauben her fliegen und welche Schwärme und welche Taubenzahlen ihre Tauben mitziehen. Genauso kennen die Sportfreunde die "Einflugschneisen" usw.
Was schreibt nun Werner Grundel dazu?
Er berichtet aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als er an einem windigen Sommertag in Antwerpen bei der Schlaggemeinschaft Somers und Sohn zu Besuch war, die seinerzeit wohl sehr stark reiste:
"Als wir dort ankamen war man bereits in Erwartung der Tauben von einem Mittelstreckenflug. Der alte Herr Somers saß in seinem Sessel und suchte in Flugrichtung den Himmel ab. Der Wind blies mäßig bis stark von der See her und ich erwartete, dass die Tauben, abgetrieben durch den Wind, aus südlichen oder gar südöstlichen Richtungen einfliegen würden. Als ich Herrn Somers darauf ansprach schüttelte der nur mit dem Kopf und sagte: "Daher muss sie kommen". Dabei zeigte er auf eine Kirchturmspitze in Flugrichtung.
"Und wenn sie nicht daher kommt?" lautete meine Gegenfrage. "Dann musst du sie aufessen!" war seine lakonische Antwort.
Wenig später schoß ein Vogel genau aus der Flugrichtung auf den Schlag zu und verschwand schnell im Inneren. Es war der "Dokus", der sich weder durch Wind noch durch andere Tauben von seiner Richtung hatte abbringen lassen. Er flog auf dem kürzesten Weg nach Hause und hielt auf der ganzen Strecke sein Tempo durch."
Der "Dokus" war in jener Zeit eine absolute Spitzentaube. Zweimal nacheinander wurde er 1. Nationale As-Taube auf der Mittelstrecke in Belgien.
Selbstverständlich züchten wir alle kaum einmal solch eine Ausnahmetaube. Vielleicht züchten wir sie nie. Aber es gibt Tauben, auch hier in Deutschland, die können es ähnlich wie der "Dokus". Sie fliegen ihre Preise, oftmals sehr früh, bei Wind und Wetter und in allen Konkurrenzen. Es stört sie nicht woher der Wind bläst, woher "die Masse zieht", wie die "Einflugschneise" ist usw. Sie fliegen ihren Weg und fliegen in die Preise.
Das sind die Tauben, die wir für unseren Bestand suchen. Wenn wir sie selbst haben, dann versuchen wie sie früh in die Zucht zu setzen. Auch gerne Kinder und Geschwister solcher Tauben. Und wenn wir uns irgendwo verstärken und diese Tauben nicht bekommen können, dann eben Kinder und Geschwister solcher Tauben.
Man kann natürlich tage- und wochenlang über die Lage und den Wind und die "Einflugschneisen" diskutieren und lamentieren. Aber kaum jemand wird doch wegen der Lage umziehen und ein neues Haus und einen neuen Schlag bauen. Also muss man Tauben suchen, die es können. Das ist der einzige Weg aus unserer Sicht. Die gute Taube entscheidet am Ende alles.... | | |
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